Achtsamkeit, Selbstliebe oder doch Egoismus
Ich weiß nicht, wie oft ich schon Sätze wie diesen gehört habe: „Wenn ich mich selbst liebe, dann bin ich egoistisch.“ Oder so etwas wie: „Ich kann mir nicht soviel Zeit für mich nehmen, da ich eine Familie habe und ich doch für alle da sein möchte.“ Wenn ich ehrlich bin, habe ich vor einigen Jahren, als ich anfing, mich mit dem Thema Achtsamkeit und Selbstliebe zu beschäftigen, mich auch erst etwas merkwürdig gefühlt. Und nein auch ich möchte keine Egoistin sein.
Wieso soll ich auf einmal an mich denken?
Warum sollte ich darauf achten, was mir gut tut, wenn ich doch Anderen dann vor den Kopf stoßen könnte? Es war wirklich schwer, aus alten Denkstrukturenherauszukommen. Bin ich es wert, für mich etwas zu tun? Ja, ich bin es wert, in mich zu spüren, was mir Spaß macht und Energie gibt. Eben Achtsamkeit und Selbstfürsorge zu leben. Ich bin es wert, mein Leben selbst zu steuern. Das ist kein Egoismus, es ist Selbstfürsorge und Selbstliebe. Sich einmal am Tag nur um sich selber kümmern und Achtsamkeit ins Leben zu holen. Ein Bad nehmen, ein Buch anfangen zu lesen, einen Spaziergang durch das herbstliche Laub machen oder einfach nur in den Himmel schauen und die Seele baumeln lassen. Es müssen keine Stunden sein, auch an einem stressigsten Tag lassen sich 10 Minuten einbinden, und wenn es zweimal fünf Minuten sind. Würden Sie das wirklich als Egoismus abstempeln?
Folgender Gedanke hat mich vor einigen Jahren zum Umdenken bewegt:
„Stell dir vor, Du sitzt im Flugzeug und hast ein Kind dabei. Plötzlich kommt die Durchsage, dass das Flugzeug notlanden muss und alle Passagiere bitte die Sauerstoffmasken aufsetzen sollen. Was tust Du?“ Na, für mich war es sehr klar: ich setze dem Kind neben mir als erstes die Sauerstoffmaske auf. Da gibt es doch gar keinen Zweifel! Was für eine blöde Frage, dachte ich mir. Der Blick meines Gegenüber schaute mich etwas verwirrt an und fragte mich nach meinen Hintergründen. Es folgt eine weitere Frage: „Was wäre, wenn Du es nicht schaffst, dem Kind die Maske überzustülpen, weil Du durch den schnellen Sinkflug ohnmächtig wirst?“ Gute Frage, dachte ich mir, hatte aber keine Ahnung worauf mein Gegenüber hinaus wollte. Sie erklärte mir, dass es doch gar nichts bringen würde, wenn ich erst das Kind (halb) versorgen würde und danach mich. So würde ich uns beide in Gefahr bringen! Würde ich allerdings erst mich versorgen und dann das Kind, dann könnte ich auch noch für das Kind da sein und es beruhigen. Ich könnte sogar auch noch anderen Fluggästen helfen, die neben mir sitzen. Ok, dachte ich mir, logisch, aber wie egoistisch. „Nun ja“, wurde mir entgegen gebracht. Du kannst doch nur für andere da sein und helfen, wenn Du genug Sauerstoff bekommst. Ist es egoistisch, erst an sich zu denken, wenn du später viel mehr helfen kannst?“ Damit hatte mich mein Gegenüber: natürlich ist es dann nicht egoistisch!
Was ist der Unterschied zwischen Egoismus und Selbstliebe/Selbstfürsorge?
Wenn ich hier von Egoismus rede, meine ich eine übertriebene Form, die sich nur auf sich und auf keinen Anderen bezieht. Das ICH wird soweit in den Vordergrund gestellt, dass die Person gar nicht merkt, dass sie alle Anderen vergisst. Ein Egoist ist NUR für sich da. Die Kraft wird nicht zum Helfen oder Weitergeben gesammelt, da es in den Gedanken tatsächlich nur eine Person, nämlich sich selbst, gibt.
Doch bei Selbstliebe und Selbstfürsorge geht es vielmehr darum, sich in einen gesunden Maßstab um sich selbst zu kümmern, um stark, handlungsfähig und hilfreich zu sein und zu bleiben. Die Mitmenschen werden nicht außer Acht gelassen, sondern profitieren sogar davon, dass ich für mich gesorgt habe. Das ist für mich der größte Unterschied zum Egoisten. Aus dieser Perspektive betrachtet ist Selbstliebe lebensnotwendig: eine unentspannte Mutter stresst ihr Kind, ein unzufriedener Partner stresst seine Partnerin…
Drei einfache Tipps, um zu mehr Selbstfürsorge zu kommen
1. Machen Sie fünf Minuten am Tag nur etwas für Sie selbst! Wenn Sie die Ruhe lieben, gehen Sie alleine eine Runde spazieren und atmen dabei bewusst. Lesen Sie eine Seite pro Tag in ihrem Lieblingsbuch. Trinken Sie in aller Ruhe allein einen Kaffee. Egal was Sie machen, es sind Ihre fünf Minuten – und nur Ihre.
2. Frage Sie sich: Was hat Sie heute besonders stolz gemacht? Worüber sind Sie heute besonders dankbar? Zwei einfache Fragen mit sehr großer Wirkung, da wir uns immer gerne mit Problemen beschäftigen und diese fokussieren. Doch es gibt mindestens genauso viele schöne Momente am Tag, die wir nur nicht sehen – wenn nicht sogar mehr!
3. Gehen Sie achtsam mit sich um. Lernen Sie sich wieder besser kennen. Was fühle ich? Wie geht es meinem Körper? Was tut mir gerade gut? Worauf habe ich (wirklich) Hunger? Habe ich überhaupt Hunger?…. Auch hier sind der Beobachtung ihres Körpers, ihrer Bedürfnisse keine Grenzen gesetzt!
Der Beitrag ist begrenzt
Klar, man könnte noch viel mehr und Genaueres zu Egoismus, Selbstliebe und Selbstfürsorge sagen, als es in so einen kurzen Beitrag passt. Doch unter dem Strich geht es mir darum, dass ich ihnen Mut machen möchte, sich Zeit zu nehmen und bewusst für sich etwas zu tun. Sie dürfen sich schätzen, ohne das gemeine Gefühl haben zu müssen, ein Egoist zu sein. Denn sich selbst aufzugeben, nur damit man Anderen gefällt, keinen Streit erzeugt oder damit man nicht als Egoist betitelt wird: das ist es nicht wert.
Wenn Sie mein Blog „Hilfe, ich will kein Egoist sein!“ gefallen hat freue ich mich. Sollten Sie Ideen, Impulse oder Fragen haben: dann melden Sie sich bei mir!
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